Wu-Tang Clan - Legendary Weapons [Review und Kommentar]
Briefkastenschlüssel verloren, ich greife mit den Fingerspitzen durch den Schlitz nach dem Umschlag, reiße an der Klebestelle und halte eine CD mit Wu-Tang Logo und Shaolin Kämpfer in meinen Händen. Ein neues Album?! Habe ich hinterm Mond gelebt oder war allgemein bekannt, dass „Legendary Weapons“ letzten Freitag erschienen ist? Oder schon längst online geleaked ist? Vielleicht geht es aber auch mittlerweile ein wenig an einem vorbei – nicht weil Wu-Tang irrelevant geworden ist, sondern weil der Überblick fast gar nicht mehr gelingt. Die Masse an Releases aus dem Wu Umfeld ist so vielfältig, so stetig und gleichzeitig so unbeachtet.
Komisch, in einer Zeit, wo selbst H&M Wu-Tang Logo Shirts verkauft werden. Vielleicht aber gerade deshalb. Vielleicht ist die junge H&M-Band-T-Shirt-KäuferInnen Generation gar nicht vertraut genug um etwas anderes als „Enter the Wu-Tang“ zu kennen (denn das erste Album ist ja in der Regel auch genreübergreifend der Klassiker, den hat man meist in seinem Musik Ordner gespeichert).
Vielleicht ist in der selben Zeit jene Generation, welche schon längst in die 36 Chambers eingetreten ist, aber auch so gefangen im eigenen Früher-war-alles-besser Nostalgiewahn, dass sie kein Interesse an aktuellen Releases hat – sie konzentriert sich auf „Wesentliches“. Vielleicht existiert aber auch mittlerweile viel zu spärliche Promo, wenn überhaupt. Oder irgendwie all das zusammen.
Die harten KritikerInnen im Internet schreiben dann, wenn z.B. ein Ghostface eine neue Scheibe droppt, dass Wu-Tang ja auch nicht mehr das Selbe sei, zu Mainstream, zu unnötig, zu qualitativ minderwertig. Allgemein wird viel über die Gruppe gemeckert: Die schlechten Auftritte, die unvollständig besetzten Touren, die internen Beefs, die RnB Tracks. Früher war eben alles anders, alles besser…
Die weniger harten KritikerInnen schreiben irgendwas oder gar nichts mehr. Denn über Wu-Tang darf man nicht zu viel Schlechtes verlieren, sie sind schließlich Legenden und so (nicht vergessen, H&M Status). Diese schleimig Haltung („wir labern erstmal die Ganze Zeit über die wunderbaren Erfolge der letzten zehn Jahre, um dann kurz zu sagen, dass das aktuelle Album ganz ok ist, total Shaolin, Kung-Fu und Ghetto-mäßig. Mit Verwendung einem oder aller folgenden Phrasen: Wu-Tang is forever, Wu-Tang Clan strikes again, Wu-Tang Clan ain’t nothin to fuck wit) feiert Wu-Tang nur, weil es sich eben so gehört.
Diese KritikerInnen, hart oder nicht, sind keine KritikerInnen. Sie sind NachlabererInnen, Ja- oder Nein-SagerInnen aus Tradition, aus Haltung, aus Mode. Sie lesen sich ihre Meinung in Internet zurecht, ein Satz hier geklaut, ein Begriff dort übernommen, ein paar Fakten – fertig ist die Review. Fertig ist das Kommentar. Fertig ist die Kritik, die sich nie ändern wird, da alles ewige Kopien von Kopien von Kopien sind. Einmal nieder geschrieben, ist das Thema dann auch wieder weg.
Bei jenen, die sich nicht aus Jobby-Hobby mit den Releases beschäftigen müssen und somit quasi zwangsweise Veröffentlichungen mitbekommen, sieht’s aber auch nicht unbedingt anders aus. Irgendwie kommt früher oder später die Nachricht eines neuen Wu-Tang Clan Releases bei jedem Hip Hop Head an, landet nach einmaligem Hören auf der Festplatte und wird dann erstmal im Datenstaub vergessen. Es gibt Interessanteres. Viel Neues, sowohl in Deutschland als auch eigentlich weltweit. Andere Hypes. Mehr Musik, die neu ist und endlich wieder fresh. Jung. Flaum, kein Bart. Auch wenn die Stimmlage dies nicht immer vermuten lässt.
Es ist auch schwer, es den Leuten Recht zu machen. Werden kreative Konzepte, Banger, Ausnahmetracks und überreife Produktionen – wie bei „8 Diagrams“ - geboten, wünschen sich alle das typische „Durchhöralbum“. Wie kann man nur so unharmonisch sein? Kommt ein Durchhöralbum, werden Innovation, Wachstum, Ohrwürmer, Boxenzerstörer gefordert. Wie kann man nur so lame sein?
Legendary Weapons ist aber nicht lame, nicht unharmonisch. Es ist großartig. Weil ich nicht für eine Review jeden Track auseinander nehmen muss. Weil das Ganze Ding nämlich eher ein 37 Minuten langer Track ist. Weil die vielen Features nicht nerven, sondern passen. Weil es zwar schade aber nicht dramatisch ist, dass GZA oder Masta Killa nicht zu hören sind. Weil die Platte so smooth runtergleitet. Weil man sie einfach nebenbei laufen lassen kann, und sie nicht etwa stört, sondern so einen abgestimmten Hintergrund bereitet. Etwas herbstlich, aber das passt ja zum deutschen Sommer.
Hört man aber genauer hin und lässt es nicht nur so als Backgroudnmusik laufen, merkt man eindeutig, dass RZA mittlerweile massig Erfahrung am Filmmusik machen hat. Das Cover der Platte erinnert mich ohnehin irgendwie an den Afro Samurai Anime. „Legendary Weapons“ fühlt sich an wie der Soundtrack zu genau dem Film, der endlich mal gedreht werden soll.
Hauptschauplatz wäre wahrscheinlich Park Hill. Die im Album perfekt inszenierten Filmsamples sind Filmausschnitte, welche die Protagonisten dann gerade im Fernsehen angucken. Das sind natürlich alte schwarze Klötze, denn selbstverständlich spielt das Ding irgendwann Mitte der 90er. Ab und zu sieht man Szenen im Benz, wie die Jungs von Shaolin nach Mecca (Harlem) fahren, Kofferraum voll Fisch, und von Malcolm reden. Oder in der Bahn nach Medina (Brooklyn) hocken, während Popa Wu Fiver Percenter Stories erzählt. Streicher! Drums! Samples! Köstlich.
Wu-Tang erfordert Geduld. Fast alle ihrer Releases sind solide, doch was heißt schon solide. Erst nach mehrmaligem, genauerem Hörern in unterschiedlichsten Situationen entdeckt man – Stück für Stück und immer wieder aufs Neue – das Genie, welches in ihren Alben steckt. Vor allem in jenen, welche von RZA durchgedacht sind. „Legendary Weapons“ ist von ihm komplett executive produced und hat bis auf drei Ausnahmen auch nur seine Beats, während an dieser Stelle erwähnt werden muss, dass die Brooklyn based Band „The Revelations“ auch einen großen Teil zum Sound der Platte beigetragen hat. Natürlich darf aber auch nicht der Rap neben den Mastermind-Produktionen vergessen werden. Lyrisch ist das Album meiner Meinung nach sehr gelungen, nicht so viel unnötiges Blabla, gute Geschichten, viel von-der-Seele-runter-Gerappe. Die Flows passen. Die Gesangsvocals haben nichts mit RnB zu tun. Alles gut, nichts schlecht.
Dies ist kein Lobgesang, der allein von meinem Wu-Fan Dasein herrührt. Dies ist ein Lobgesang an eine Gruppe, die trotz ihrer Größe, trotz ihrer Distanzen, Verschiedenheiten, Ansprüche und Fehltritte, ein geiles Album abgeliefert hat. Eines, welches ich jetzt schon zu einem meiner Wu-Tang Favoriten zähle. Und ihr wisst, es gibt viel. Wenn man also dasteht und wieder etwas aus dem Hause in der Hand hält oder einem neuen Ordner aufm Desktop hat, sollte das nicht nach Hinten verschwinden. In die Schublade der alten, gleichen, semi-interessanten Sachen. Denn es mag zwar schon so sein, dass Wu in der Zeit der schnellen Vergänglichkeit eher uninteressant geworden ist, doch – und nun benutze auch ich so eine Phrase – Wu-Tang is forever. Nicht, weil das einfach so ist, sondern weil sie es immer wieder beweisen.
Komisch, in einer Zeit, wo selbst H&M Wu-Tang Logo Shirts verkauft werden. Vielleicht aber gerade deshalb. Vielleicht ist die junge H&M-Band-T-Shirt-KäuferInnen Generation gar nicht vertraut genug um etwas anderes als „Enter the Wu-Tang“ zu kennen (denn das erste Album ist ja in der Regel auch genreübergreifend der Klassiker, den hat man meist in seinem Musik Ordner gespeichert).
Vielleicht ist in der selben Zeit jene Generation, welche schon längst in die 36 Chambers eingetreten ist, aber auch so gefangen im eigenen Früher-war-alles-besser Nostalgiewahn, dass sie kein Interesse an aktuellen Releases hat – sie konzentriert sich auf „Wesentliches“. Vielleicht existiert aber auch mittlerweile viel zu spärliche Promo, wenn überhaupt. Oder irgendwie all das zusammen.
Die harten KritikerInnen im Internet schreiben dann, wenn z.B. ein Ghostface eine neue Scheibe droppt, dass Wu-Tang ja auch nicht mehr das Selbe sei, zu Mainstream, zu unnötig, zu qualitativ minderwertig. Allgemein wird viel über die Gruppe gemeckert: Die schlechten Auftritte, die unvollständig besetzten Touren, die internen Beefs, die RnB Tracks. Früher war eben alles anders, alles besser…
Die weniger harten KritikerInnen schreiben irgendwas oder gar nichts mehr. Denn über Wu-Tang darf man nicht zu viel Schlechtes verlieren, sie sind schließlich Legenden und so (nicht vergessen, H&M Status). Diese schleimig Haltung („wir labern erstmal die Ganze Zeit über die wunderbaren Erfolge der letzten zehn Jahre, um dann kurz zu sagen, dass das aktuelle Album ganz ok ist, total Shaolin, Kung-Fu und Ghetto-mäßig. Mit Verwendung einem oder aller folgenden Phrasen: Wu-Tang is forever, Wu-Tang Clan strikes again, Wu-Tang Clan ain’t nothin to fuck wit) feiert Wu-Tang nur, weil es sich eben so gehört.
Diese KritikerInnen, hart oder nicht, sind keine KritikerInnen. Sie sind NachlabererInnen, Ja- oder Nein-SagerInnen aus Tradition, aus Haltung, aus Mode. Sie lesen sich ihre Meinung in Internet zurecht, ein Satz hier geklaut, ein Begriff dort übernommen, ein paar Fakten – fertig ist die Review. Fertig ist das Kommentar. Fertig ist die Kritik, die sich nie ändern wird, da alles ewige Kopien von Kopien von Kopien sind. Einmal nieder geschrieben, ist das Thema dann auch wieder weg.
Bei jenen, die sich nicht aus Jobby-Hobby mit den Releases beschäftigen müssen und somit quasi zwangsweise Veröffentlichungen mitbekommen, sieht’s aber auch nicht unbedingt anders aus. Irgendwie kommt früher oder später die Nachricht eines neuen Wu-Tang Clan Releases bei jedem Hip Hop Head an, landet nach einmaligem Hören auf der Festplatte und wird dann erstmal im Datenstaub vergessen. Es gibt Interessanteres. Viel Neues, sowohl in Deutschland als auch eigentlich weltweit. Andere Hypes. Mehr Musik, die neu ist und endlich wieder fresh. Jung. Flaum, kein Bart. Auch wenn die Stimmlage dies nicht immer vermuten lässt.
Es ist auch schwer, es den Leuten Recht zu machen. Werden kreative Konzepte, Banger, Ausnahmetracks und überreife Produktionen – wie bei „8 Diagrams“ - geboten, wünschen sich alle das typische „Durchhöralbum“. Wie kann man nur so unharmonisch sein? Kommt ein Durchhöralbum, werden Innovation, Wachstum, Ohrwürmer, Boxenzerstörer gefordert. Wie kann man nur so lame sein?
Legendary Weapons ist aber nicht lame, nicht unharmonisch. Es ist großartig. Weil ich nicht für eine Review jeden Track auseinander nehmen muss. Weil das Ganze Ding nämlich eher ein 37 Minuten langer Track ist. Weil die vielen Features nicht nerven, sondern passen. Weil es zwar schade aber nicht dramatisch ist, dass GZA oder Masta Killa nicht zu hören sind. Weil die Platte so smooth runtergleitet. Weil man sie einfach nebenbei laufen lassen kann, und sie nicht etwa stört, sondern so einen abgestimmten Hintergrund bereitet. Etwas herbstlich, aber das passt ja zum deutschen Sommer.
Hört man aber genauer hin und lässt es nicht nur so als Backgroudnmusik laufen, merkt man eindeutig, dass RZA mittlerweile massig Erfahrung am Filmmusik machen hat. Das Cover der Platte erinnert mich ohnehin irgendwie an den Afro Samurai Anime. „Legendary Weapons“ fühlt sich an wie der Soundtrack zu genau dem Film, der endlich mal gedreht werden soll.
Hauptschauplatz wäre wahrscheinlich Park Hill. Die im Album perfekt inszenierten Filmsamples sind Filmausschnitte, welche die Protagonisten dann gerade im Fernsehen angucken. Das sind natürlich alte schwarze Klötze, denn selbstverständlich spielt das Ding irgendwann Mitte der 90er. Ab und zu sieht man Szenen im Benz, wie die Jungs von Shaolin nach Mecca (Harlem) fahren, Kofferraum voll Fisch, und von Malcolm reden. Oder in der Bahn nach Medina (Brooklyn) hocken, während Popa Wu Fiver Percenter Stories erzählt. Streicher! Drums! Samples! Köstlich.
Wu-Tang erfordert Geduld. Fast alle ihrer Releases sind solide, doch was heißt schon solide. Erst nach mehrmaligem, genauerem Hörern in unterschiedlichsten Situationen entdeckt man – Stück für Stück und immer wieder aufs Neue – das Genie, welches in ihren Alben steckt. Vor allem in jenen, welche von RZA durchgedacht sind. „Legendary Weapons“ ist von ihm komplett executive produced und hat bis auf drei Ausnahmen auch nur seine Beats, während an dieser Stelle erwähnt werden muss, dass die Brooklyn based Band „The Revelations“ auch einen großen Teil zum Sound der Platte beigetragen hat. Natürlich darf aber auch nicht der Rap neben den Mastermind-Produktionen vergessen werden. Lyrisch ist das Album meiner Meinung nach sehr gelungen, nicht so viel unnötiges Blabla, gute Geschichten, viel von-der-Seele-runter-Gerappe. Die Flows passen. Die Gesangsvocals haben nichts mit RnB zu tun. Alles gut, nichts schlecht.
Dies ist kein Lobgesang, der allein von meinem Wu-Fan Dasein herrührt. Dies ist ein Lobgesang an eine Gruppe, die trotz ihrer Größe, trotz ihrer Distanzen, Verschiedenheiten, Ansprüche und Fehltritte, ein geiles Album abgeliefert hat. Eines, welches ich jetzt schon zu einem meiner Wu-Tang Favoriten zähle. Und ihr wisst, es gibt viel. Wenn man also dasteht und wieder etwas aus dem Hause in der Hand hält oder einem neuen Ordner aufm Desktop hat, sollte das nicht nach Hinten verschwinden. In die Schublade der alten, gleichen, semi-interessanten Sachen. Denn es mag zwar schon so sein, dass Wu in der Zeit der schnellen Vergänglichkeit eher uninteressant geworden ist, doch – und nun benutze auch ich so eine Phrase – Wu-Tang is forever. Nicht, weil das einfach so ist, sondern weil sie es immer wieder beweisen.